Mit dem Einzug amerikanischer Truppen in die ehemaligen Wehrmachtskasernen begann 1945 für das älteste Augsburger Bauunternehmen, „Familie Deurer“, die politisch neue, nachbarschaftliche US-Berührung an der nördlichen Sheridan Kaserne. Es waren in den Jahrzehnten des amerikanischen Gegenübers nicht nur die Trucks, Jeeps, Kampfpanzer und Haubitzen, welche die Stadtberger Straße in Pfersee lautstark und unübersehbar durchfuhren. Auch die nahe gelegene Gaststätte „Zum Schlößle“, später und heute noch als „Last Chance“ legendär bekannt, trug als Treffpunkt der US-Soldaten mit deutschen Mädchen zur Aufmerksamkeit bei der Baufirma Deurer bei. Dazu kamen jede Menge „Amischlitten“*, die das dortige Straßenbild belebten.
Der Familie Deurer war die amerikanische Berührung in keiner Weise abträglich. So berichtete Annemarie Deurer in einem späteren Interview, wie wohlwollend sie als kleines Mädchen in den 1950er Jahren die amerikanischen Soldaten erlebt hatte. Da wurden die Kinder in Pfersee zum „Thanksgiving Day“ in die Kasernen eingeladen und mit Essen und Geschenken verwöhnt. Unvergeßlich war für sie die Teilnahme an einem amerikanischen Gottesdienst, wo sie mit ihrer Schulklasse im Chor singen durfte. Die legere Lebensart der US-Soldaten wirkte auf die Kinder ebenso faszinierend wie fremdartig. Das amerikanische Militärwesen rund um das Deurer-Haus war für die Familie eine alltägliche Normalität. Es blieb auch nicht aus, daß Mitarbeiter des Unternehmens amerikanische Kontakte pflegten.
Mit dem Abzug der US-Truppen stand 1998 die Konversion der Militärflächen zur Disposition. Die inzwischen fünfte und sechste Generation der Gregor Deurer GmbH & Co. KG nahm die Chance wahr, sich hier mit Wohnrauminitiativen einzubringen, die nicht zu schnellem Geld führen, sondern die gesellschaftlichen Belange von Integration, Inklusion und Nachhaltigkeit zu erfüllen vermochten. In der Reese Kaserne (Reese Barracks) vollzog sie diesen Schritt u.a. mit 153 Sozial-Mietwohnungen. Eine dreistufige, einkommensabhängige Vergabe der Wohnungen ermöglichte die Inanspruchnahme von Fördergeldern des Bundes und des Freistaates Bayern. Vertrauensvolle, günstige Kredite der Hausbanken unterstützten den Tatendrang des Unternehmens. Bei den Planungen wurde auf eine hohe Bestands- und Aufenthaltsqualität Wert gelegt. Für die Gestaltung der Außenanlagen griff man sogar zu einem studentischen Wettbewerb, was zu einer ideellen Einbindung der heranwachsenden Generation führte.
Am 22. Juni 2016 feierte die Firma Familie Deurer die offizielle Einweihung ihrer modernen Wohnanlagen mit dem Namen „Reese Paradise 1+2“**. Die jahrzehntelange Berührung mit den US-Truppen bewegte den heutigen Geschäftsführer Dr. Markus Deurer dazu, die Feierlichkeiten mit einer amerikanischen Militärerinnerung zu verknüpfen. Dies führte naheliegender Weise zu einer Anfrage bei Amerika in Augsburg e.V., und so war es nur ein kleiner Schritt, bis der Verein mit einer Eigenpräsentation auf die amerikanische Militärvergangenheit des Reese-Areals hinweisen konnte. Dr. Deurer unterstützte die hierzu erforderlichen Vorarbeiten in dankenswerter Weise.
Höchster politischer Gast war der Bayerische Staatssekretär Johannes Hintersberger, der in seiner Grußrede auch die Tätigkeit des Vereins hervorhob. Das soziale Engagement der Firma Deurer betonte Stadtpfarrer Gerhard Groll von der Kirchengemeinde St. Thaddäus in Kriegshaber. War doch „die Reese“ lange Zeit ein stets unüberwindbarer, fremdartiger Verbindungsriegel zwischen Kriegshaber und dem südlich gelegenen Stadtteil Pfersee.
* „Amischlitten“ oder „Straßenkreuzer“ waren umgangssprachliche deutsche Begriffe für die großen US-Autos in den frühen Präsenzjahren.
** Abgeleitet von der Neuseeländischen Paradiesblume, die am sog. Pohutukawa tree an Weihnachten blüht.
Geschäftsleitung, Politik und Finanz präsentieren sich vor dem Zelteingang. Von links: Dr. Walter Eschle (Stadtsparkasse Augsburg), Hubert Deurer, MdL Johannes Hintersberger, Dr. Markus Deurer, Jürgen Schmid (Stadtrat), MdL Harald Güller. Im Hintergrund (Mitte) Max Weinkamm (Stadtrat).
Die anwesende AiA-Vereinsvertretung: Heinz Strüber, Max Lohrmann, Rick Cervenka, Gerhard Rankl, Georg Feuerer, Thomas Dollrieß (v. links).
Heinz Strüber (rechts) war von 1976 bis 1992 für den Großen Bauunterhalt der US-Einrichtungen in Augsburg verantwortlich. Im Directorate of Engineering and Housing (DEH) wurden während seiner Dienstzeit große Summen in Modernisierung und Erhalt der amerikanisch genutzten Gebäude investiert. Nach dem stadtplanerischen Abriß der Kasernengebäude engagierte sich Dr. Markus Deurer mit seinem Familienunternehmen in einem neuen Kapitel der baulichen Entwicklung des Reese-Areals, der Konversion. Beide Bauexperten stellten sich vor dem Hintergrund der historischen Veränderung zu einem gemeinsamen Foto. Alte Zeit, neue Zeit.
Alle Fotos: Amerika in Augsburg e.V.