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…zum Beispiel die Engineers

 

Die eingezäunten und bewachten Augsburger Kasernen und auch die eigentlich frei zugänglichen amerikanischen Wohngebiete gehörten in Folge der jahrzehntelangen Anwesenheit der Amerikaner zwar zur „Stadt“, aber kaum jemand wusste, was innerhalb der Kasernen vor sich ging und schon gar nicht, wie die Arbeitsbedingungen für die zahlreichen sogenannten „Einheimischen“, aussahen. Daran änderten auch die gelegentlichen Tage der offenen Tür nicht viel.

Für die „einheimischen“ Arbeitnehmer sah das im Prinzip ähnlich aus, da man außerhalb des eigenen Arbeitsplatzes nur dann in direkten Kontakt mit Amerikanern kam, wenn dies dienstlich erforderlich war. Das machte aus militärischer Sicht durchaus Sinn, schützte es die Army doch in gewissem Umfang vor Spionage – schließlich herrschte Kalter Krieg zwischen der NATO und den Staaten des Warschauer Pakts, und wer nichts wusste konnte auch nichts weiter sagen. Entsprechende Belehrungen samt schriftlicher Verpflichtung waren ohnehin Bestandteil des Arbeitsverhältnisses.

Die Engineers als größte Dienststelle waren im Building 26, zum Teil im Bldg 27 und in Bldg 29 (Housing Div.), in ehemaligen Pferdeställen der Reese Barracks untergebracht. In die Gebäude aus Klinkersichtmauerwerk und Stahlbeton mit steilem Biberschwanzdach wurden nach dem Krieg oberhalb der Futtertröge Betonbodenplatten eingezogen, um Büroräume und sanitäre Einrichtungen einbauen zu können. Aus den Heuböden im Dachgeschoß wurden ebenfalls Büros geschaffen. Der nach dem Krieg nur mit einem flach geneigten Dach versehene einstöckige Verbindungsbau zwischen Bldg 26 und dem zur Dienststelle gehörenden Werkstattgebäude (shop)(Bldg 25) wurde mittels einer Konstruktion aus Stahl und Aluminium mit Titanzinkdachdeckung aufgestockt, um der - mit den immer umfangreicheren Mitteln für den Bauunterhalt - gewachsenen Mitarbeiterschar angemessene Arbeitsräume zur Verfügung stellen zu können. Die Fenster waren aus thermisch getrennten, Energie sparenden Aluminiumprofilen mit Isolierverglasung. Die Wandanstriche waren zunächst meist weiß mit hellgrünen Ölfarbsockeln, später nach den Vorschriften des entsprechenden technischen Handbuchs differenziert mehrfarbig. Die Beleuchtung in den Büros bestand aus für Bildschirmarbeitsplätze geeigneten Langfeldleuchten mit Alu-Raster. Die ursprünglichen Bodenbeläge waren PVC-Platten oder Linoleum mit großen Teppichen aus unifarbener Auslegeware, später meist Teppichböden.

Schutzgeländer auf einem Innenraum.
Nüchtern: der Hauptzugang auf der Ostseite des Engineer-Gebäudes.
Lebenswerte Arbeitswelt: die Westseite der Engineer-Heimstatt.

 Häufig waren für ein ruhigeres Arbeiten die typisch amerikanischen Akustikdecken mit „wurmstichiger“ (fissured) Oberfläche installiert worden. Da man in den siebziger Jahren aus Brandschutzgründen die alten Holzschreibtische ersetzen musste, gab es fast ausschließlich graue U.S. Stahlmöbel. Die zunächst lediglich mit dem schon erwähnten hellgrünen (vulgo “latrine green“) Ölfarbanstrich versehenen Sanitärräume wurden in den achtziger Jahren auf den neuesten Stand gebracht und bis zur Decke gefliest. Moderne WC-Spülungen und von Fotozellen gesteuerte Urinalspülanlagen sorgten für geruchlose, Wasser sparende WC-Anlagen. In jedem Stockwerk befand sich ein Trinkbrunnen, der erfrischend kühles Wasser spendete. Im EG gab es einen Automaten für Cola und andere alkoholfreie Getränke (soft drinks). Unmittelbar vor dem Gebäude waren die Parkplätze, die mit ihrer für deutsche Verhältnisse ungewöhnlichen Breite der Größe der U.S. Pkws Rechnung trugen.

 

Die überwiegende Zahl der Mitarbeiter des DEH, im Sprachgebrauch „die Engineers (Ingenieure), waren „einheimische“ Deutsche (local nationals = LNs). Einige Mitarbeiter kamen aus Drittländern, wie z.B. aus dem damaligen Jugoslawien (sogenannte 3rd country nationals). Und natürlich gab es einige amerikanische Zivilisten in Management-Positionen, sowie amerikanische Offiziere und Unteroffiziere, die im Kampfanzug Dienst taten – auch in den 1970er Jahren hingen zum Teil Helm und Koppel mit Pistole griffbereit am Kleiderständer neben der Bürotür. Auf dem Mahagoni-Schreibtisch des amerikanischen Chefs befand sich, wie bei allen Mitarbeitern, ein Namensschild, das zeigte, mit wem man sprach. Die U.S. Flagge “Stars and Stripes“ und die der Engineers (eine rote Burg auf weißem Grund, bzw. eine weiße Burg auf rotem Grund) standen seitlich hinter dem Schreibtisch des Chefs. Die Stellen der Chef-Sekretärinnen waren meist mit U.S. dependents, das heißt mit Ehefrauen von Soldaten oder bei der Army angestellten amerikanischen Zivilisten, besetzt. Dies war gelegentlich auch bei Stellen von technischen Übersetzerinnen und Zeichnerinnen der Fall, das heißt Amerikanerinnen hatten Planstellen (slots) inne, die für Deutsche vorgesehen waren.

 

 

Ein zentraler Computer mit vernetzten Terminals ersetzte schon sehr bald die IBM Kugelkopf-Schreibmaschinen und erleichterte die rationelle Erstellung von Schriftstücken und Leistungsverzeichnissen, lange bevor dies bei deutschen Behörden mittels PC realisiert werden konnte. Laufwagen-Zeichenmaschinen, Lichtpausmaschine, elektrische Planschneide- und Faltmaschine ermöglichten die zeitsparende Erstellung und Vervielfältigung der zahlreichen Werk- und Detailpläne direkt in der Dienststelle. Die Leistungsverzeichnisse wurden in der zentralen Druckerei der Community vervielfältigt.

Amtssprache war Englisch. Dem entsprechend waren Korrespondenz, Akten und Dienstvorschriften in Englisch, auch wenn Deutsch natürlich die Umgangssprache unter den LNs war - in dem Moment wo ein Amerikaner am Gespräch beteiligt war, galt es, sich auf Englisch verständigen zu können (“English is a job requirement“). Die von den Architekten / Ingenieuren und Bautechnikern auf Deutsch erstellten Leistungsverzeichnisse waren in dieser Fassung für die Amerikaner lediglich eine so genannte Höflichkeitsübersetzung (courtesy translation); im Streitfall mit einem Auftragnehmer galt der englische Text.

Das Personalbüro (Civilian Personnel Office, CPO) für die zivilen Mitarbeiter, gleich ob amerikanisch oder deutsch, war in Gebäude 4, Reese Kaserne, untergebracht. Alle Mitarbeiter waren gleich – unabhängig von „Rasse, Geschlecht, Religion, Nationalität, Alter, physischer oder geistiger Behinderung“. Sexuelle Belästigung (sexual harassment) am Arbeitsplatz war streng untersagt und wurde gegebenenfalls unnachgiebig verfolgt. Selbstverständlich gab es auch einen deutschen Betriebsrat, genannt Betriebsvertretung (Works Council) mit Sitz in Gebäude 24. Deren Mitglieder sowie die Vertrauensleute konnten für Arbeiter und Angestellte getrennt gewählt werden.

Die Bezahlung der LNs erfolgte nach einem von der ÖTV mit den Amerikanern ausgehandelten Tarifvertrag. Dennoch war die Tätigkeit bei der Army keine, die mit dem (deutschen) Öffentlichen Dienst gleichgestellt war. Arbeitszeiten und Urlaubsansprüche deckten sich im Prinzip mit den üblichen deutschen Tarifverträgen. Zusätzlich zu Weihnachts- und Urlaubsgeld gab es eine Lebensversicherung (als Ersatz für die Zusatzversicherung im Öffentlichen Dienst), in die vom Arbeitgeber ein gewisser Prozentsatz des Gehalts einbezahlt wurde. Die Bezahlung vom Amt für Verteidigungslasten erfolgte in DM. Die (unbezahlte) Mittagspause dauerte eine halbe Stunde. Zusätzlich gab es, zumindest bei den Engineers lange Zeit um neun Uhr morgens eine maximal 14-minütige Brotzeitpause und um vierzehn Uhr eine ebenso lange Kaffeepause, die bezahlt wurden. Diese Pausen wurden von Mr. Droege, Ende der 1970er bis Anfang der 1980er Jahre Chef der EP&S Div, regelmäßig zum ungezwungenen Kontakt mit seinen deutschen Mitarbeitern genutzt, während er sonst in der Regel nur nach Terminvereinbarung zu sprechen war.

Brotzeiten oder ein warmes Mittagessen gab es in der Deutschen Kantine. Nur in Kasernen, in denen es eine solche nicht gab, durfte in der Snack Bar (Imbiss) oder der Mess Hall (Truppenküche) gegen Dollars gegessen werden. Besonders beliebt war die Mess Hall in Gablingen, gab es dort doch neben dem sehr guten Hauptgericht (zwei zur Wahl) eine üppige Salatbar, eine Auswahl an desserts (Nachtischen) und kostenlosen soft drinks, also z.B. Cola (mit vielen Eiswürfeln) in unbegrenzter Menge. Umgekehrt nutzten viele Amerikaner gerne die Kantine in der Reese Kaserne, weil sie da auch mittags schon das eine oder andere Bier genießen konnten, während in den U.S. Einrichtungen innerhalb der Dienstzeit keine alkoholischen Getränke ausgeschenkt wurden.

Alljährlich mussten vom unmittelbaren Vorgesetzten Leistungsbeurteilungen (Performance Appraisals) in englischer Sprache für alle „ortsansässigen Arbeitnehmer“ erstellt werden, die dann mit dem jeweiligen Mitarbeiter besprochen wurden. Bei durchwegs „ausgezeichneten“ Beurteilungen über mehrere Jahre hinweg gab es Leistungsprämien in Höhe von ca. 3 - 5% des Jahresgehalts. Im Rahmen einer Feier wurde vom Director of Engineering and Housing (DEH) im Beisein des direkten Vorgesetzten eine in der Regel vom Deputy Community Commander unterzeichnete gerahmte Urkunde der United States Army Europe bzw. später des Department of the Army mit einer individuellen Laudatio überreicht. Ein (Polaroid-) Foto dieser Zeremonie wurde dem so geehrten Mitarbeiter übergeben, ein weiteres im Schaukasten im Flur der Dienststelle ausgehängt.

Das obligatorische Polaroidbild bei Leistungsbeurteilungen.

Für 10-, 15-, 20-jährige und längere Betriebzugehörigkeit gab es ebenfalls gerahmte Urkunden sowie Anstecknadeln, Prämien und/oder Sonderurlaub - und für besonders langjährige Mitarbeiter ein Festessen im Offiziersclub (sonst “Off Limits“), zu dem auch der/die Ehepartner/in eingeladen wurde.

Wie in deutschen Betrieben fanden auch bei der Army Geburtstagsfeiern, Ein- und Ausstände - genannt Party - statt. Wenn es sich um „amerikanische“ Feiern handelte gab es in der Regel keine alkoholischen Getränke, bei „deutschen“ Feiern waren Bier, Wein und Sekt geduldet, hard liquor (hochprozentige Getränke) verboten.

Beim DEH gab es in den 1980ern alljährlich ein Sommerfest und traditionell eine Weihnachtsfeier (Xmas party) samt Ansprache des als Santa Claus verkleideten Betriebsvertretungsvorsitzenden, bei denen auch alkoholische Getränke ausgeschenkt werden durften.

Eine Besonderheit war die alljährliche Party bei der Engineering Services Branch, EP&S Div, DEH, wenn im Sommer nach vielen 50-Stunden Wochen, zum Teil mit Schichtdienst (Übersetzer), und gelegentlicher Samstags-, Sonntags- und sogar Feiertagsarbeit bei gleichzeitiger Urlaubssperre endlich alle Projekte termingerecht in der Vergabestelle abgegeben worden waren. Weil das Aufatmen nach monatelangem Stress groß war, schmeckte allen Beteiligten (und so manchem Unbeteiligten) bis hin zum (Deputy)Community Commander das deutsche Bier vom Fass - ausnahmsweise nicht aus Pappbechern - umso besser!

Am 4. Juli, dem amerikanischen Independence Day, feierten die Amerikaner unter sich. Die LNs hatten dafür ihr Outing, den Betriebsausflug. An Thanksgiving (22. November) trafen sich alle Augsburger LNs im Theater (Kino) in der Reese Kaserne zur Betriebsversammlung, bei der auch der Community Commander in Ausgehuniform eine Ansprache hielt. Die Art der Uniform ist deshalb erwähnenswert, weil die Militärs, wie oben beschrieben, in der Regel im Kampfanzug ihren Dienst versahen.

Qualitätsmanagement war bei der Army schon lange im Gespräch, bevor es auch anderswo als Managementwerkzeug entdeckt wurde. Daneben gab es auch das so genannte Value Engineering, in etwa mit „Wert schöpfender Ingenieurleistung“ zu übersetzen. Dahinter steckt der Gedanke, dass man bestimmte Planungsziele unter Umständen auf mehr als einem - und vor allem auf einem eventuell preisgünstigeren Weg - erreichen kann. Außenstehende, z.B. Firmen, die ein Angebot für ausgeschriebene Leistungen einreichten, konnten als Nebenangebot preiswertere alternative Arbeitsausführungen vorschlagen und erhielten bei Annahme ihres Vorschlages 50% des eingesparten Betrages als Prämie. Intern konnte hierfür, wie auch für anderes, ein Verbesserungsvorschlag gemacht werden, für den es bei Annahme eine Prämie (incentive award) oder, bei Nichtannahme, zumindest eine kleine Anerkennung wie z.B. einen Kugelschreiber mit entsprechendem Schriftzug gab.

Die sich bei uns in letzter Zeit durchsetzende Idee von rauchfreien Büros gab es bei der Army schon mehr als zwanzig Jahre früher. In allen US-Regierungseinrichtungen war, abgesehen von einem einzigen Raum, das Rauchen untersagt. Die Raucher mussten zum Rauchen diesen Raum aufsuchen oder ins Freie gehen.

An dieser Stelle soll auch dem Märchen von zollfreien Zigaretten, Whiskey und anderem “hard liquor für die bei den „Amis“ beschäftigten Mitarbeitern ein Ende gesetzt werden. Der Erwerb dieser Waren war ohne U.S.-Pass (ID-Card) gar nicht möglich, deren Besitz für Deutsche als Zollvergehen strafbar, Kündigung des Arbeitsverhältnisses eingeschlossen.

Auch ohne amerikanische Waren - die deutschen Mitarbeiter waren in enger Zusammenarbeit mit den Amerikanern über ein halbes Jahrhundert wesentlich daran beteiligt, die U.S. Militärgemeinde Augsburg zu einem immer besseren Standort „für professionelle Soldaten und ihre Familienangehörigen“ zu machen – “a better place in which to work and live”.

copyright: Heinz Strüber

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